Fünf-Punkte-Plan
Die CDU Deutschland und namentlich Friedrich Merz haben einen Fünf-Punkte-Plan mit dem Titel „Für einen Politikwechsel in der Migrationspolitik“ vorgelegt.
Dieser Fünf-Punkte-Plan verletzt in vielen Punkten die geltende Rechtsordnung und unser Grundverständnis davon, wie Politik in Deutschland funktioniert:
- Die Vorschläge untergraben die Schengen-Ordnung (insbesondere den freien Grenzübertritt).
- Sie zerstören den mühsamen GEAS-Kompromiss in der europäischen Asylpolitik und setzen damit den gesamten, ohnehin gefährdeten europäischen Solidaritätsgedanken aufs Spiel (das hätte Helmut Kohl übrigens nie zugelassen).
- Das betrifft übrigens auch „Dublin“: Dublin (Bestandteil des GEAS) zu verschlechtern, weil es gegenwärtig nicht vollumfänglich funktioniert, ist wie Selbsttötung aus Sorge vor dem Sterben, es ist einfach das Gegenteil von produktiver Problemlösung.
- Sie schaffen faktisch das von den Eltern des Grundgesetzes bewusst aufgenommene Recht auf Asyl und den von der BRD eingegangenen und nicht aufgebbaren Grundkonsens des humanitären Völkerrechts (Genfer Flüchtlingskonvention u.a.) ab (eine Einreise ohne gültige Einreisepapiere ist bei politischen Flüchtenden etwa regelmäßig der Fall; wie sollte es auch anders sein).
- Sie schaffen keinen Mehrwert im Bereich der Sicherheitspolitik. Dafür gibt es wesentlich bessere Vorschläge wie etwa mehr psychosoziale Versorgung insgesamt oder mehr Personal im Bereich von Judikative und Exekutive.
- Sie überfordern massiv die zuständigen Behörden, insbesondere die Bundespolizei mit schon jetzt Millionen angesammelten Überstunden (und damit sind sie auch nicht durchführbar).
- Sie geben der Bundespolizei Kompetenzen wie etwa ein „in Haft nehmen“, bei denen die Initiative in Deutschland aus guten Gründen bei Staatsanwaltschaften liegt.
Vor allem aber hat Friedrich Merz angekündigt, dass er dies noch vor dem 23. Februar durch den Bundestag bringen will, egal wer ihm zustimmt; jetzt werde „entschieden mit den Mehrheiten, die der Mehrheit der Bevölkerung entsprechen“.
Mit diesen Äußerungen verletzt er auch Grundregeln des politischen Arbeitens in Deutschland:
- Er kündigt an, „am ersten Tag im Amt des Bundeskanzlers das Bundesinnenministerium auf dem Wege der Richtlinienkompetenz anzuweisen, an allen Staatsgrenzen Kontrollen durchzuführen und alle Personen abzuweisen, die nicht über gültige Einreisedokumente oder über die europäische Freizügigkeit verfügten“. Ein solches Weisungsrecht wurde in der BRD nie zuvor ausgeübt; dafür gibt es vorher Koalitionsvereinbarungen. Dieses Verhalten zeigt, dass Friedrich Merz nicht koalitionsfähig ist.
- Er kann europäische Verpflichtungen und das Grundgesetz auch nicht per Regierungsverordnung außer Kraft setzen.
- Und nicht zuletzt gibt es einen bundesdeutschen Grundkonsens des „Nie wieder“: Nie wieder darf eine rechtsextreme und antisemitische Kraft in Deutschland politische Relevanz gewinnen.
Das ist kein „Brandmauergerede“ (Carsten Linnemann vor wenigen Tagen), sondern Grundbedingung politischen Handelns in Deutschland. Wenn Friedrich Merz erklärt, es sei ihm „völlig gleichgültig, wer diesen Weg politisch mitgeht“, dann setzt er diesen Grundkonsens außer Kraft.
Friedrich Merz hat offenbar die Kontrolle verloren und politisches Handeln angekündigt, das konsensuale Standards zerstört – wie soll gemeinsames politisches Handeln danach noch möglich sein?
Auf diese Frage muss die CDU eine Antwort geben können. Sie muss auch beantworten, wo und wann ihr Anstand, Respekt und Würde verloren gegangen sind und wie sie sie zurückgewinnen will. Und sie wird beantworten müssen, was ihr die freiheitlich-demokratische Grundordnung, die europäische Ordnung und die internationale Stabilität noch wert sind.